Zur 12. Auflage habe ich in meinem Standardwerk Männlichkeit leben einige Ergänzungen und Veränderungen vorgenommen. Zwei wesentliche Teile davon, das Vorwort und die letzten Seiten des Buches stelle ich hiermit zu Verfügung. So sind alle Leser auf dem neuesten Stand.
Dieses Buch widme ich in Liebe und Dankbarkeit meinem Vater Eckhard Leimbach und meinen Söhnen Joshua, Odin, Kairos und Aion.
Vorwort zur 12. Auflage, März 2019
Herzlichen Glückwunsch, Mann!
Sie halten mein erstes von mittlerweile zehn Büchern in der Hand. Sie haben sich dazu entschieden, die grundlegende Lektüre zum Thema Männlichkeit zu lesen. Dieses 2007 erstmals erschienene und über 40.000 Mal verkaufte Buch ist wohl das meist gelesene der deutschsprachigen Männerbücher. Es initiierte eine neue Männerbewegung und ist mittlerweile als eine Art „Männerbibel“ die Grundlage für viele Coaches, Therapeuten und Seminarleiter, die mit Männern arbeiten. Die wesentlichen Ideen darin wie positive Aggression, Bedeutung des Vaters, Polarität der Geschlechter – um einige zu nennen – sind seitdem vielfach aufgegriffen worden.
In dieser Auflage gibt es einige Aktualisierungen, aber leider meist nicht zum Positiven. Die von mir aufgezeigten gesellschaftliche Entwicklungen zur Auflösung der geschlechtlichen Identitäten, Benachteiligung von Jungen in Erziehung und Schule, Vaterlosigkeit und weiblicher Dominanz in Beziehungen sind weiter fortgeschritten. Unsere aktuelle Gesellschaft benutzt den Begriff Männlichkeit immer mehr als Schimpfwort und diskriminiert männliche Attribute wie Verhaltensweisen. Das beginnt für Jungen bereits in Kitas und Schulen. Männlichkeit wird gerade durch feministische Kampagnen wie #Aufschrei oder #MeeToo verunglimpft, mit Begriffen wie „toxischer Männlichkeit“ wird Männlichkeit diskreditiert. Dies passiert nur einseitig, Kampagnen zur Deskreditierung von Weiblichkeit sind mir nicht bekannt.
Zum anderen wird versucht, immer größere Verwirrung in Bezug auf männliche und weibliche Identität zu stiften, was zu Verunsicherung und Schwächung bei vielen Männern führt. Dieses Buch ist deshalb aktueller denn je für alle Männer, die ihre Männlichkeit stärken und ihr männliches Potenzial befreien wollen. Es hilft Männern nicht nur eigene Probleme oder Schwächen zu verstehen, sondern auch die gesellschaftlichen Ursachen zu erkennen, warum aktuell viele Männer mit ihrer Männlichkeit hadern.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das Buch „Weiblichkeit leben“ von Leila Bust hinweisen, mit der ich seit 1995 zusammenarbeite. Als Paar- und Sexualtherapeuten stärken wir Männer und Frauen in ihrer männlichen und weiblichen Polarität. Das führt zu mehr Selbstbewusstsein und auch zu glücklichen und erfolgreichen Beziehungen. Damit stellen wir uns ganz bewusst gegen die politisch geförderte Entwicklung des Gender Mainstream, die eine Angleichung und letztendlich Auflösung von Männlichkeit und Weiblichkeit anstrebt.
Ich bedanke mich an dieser Stelle bei meinen zahlreichen Lesern und den vielen Zuschriften und wünsche Ihnen als Leser neue Erkenntnisse auf Ihrem Weg als Mann.
Ihr Bjørn Thorsten Leimbach
Der nächste Schritt
Sie haben das Grundlagenwerk zum Thema Männlichkeit durchgelesen und hoffentlich einige neue Impulse und Sichtweisen gewonnen. Im besten Fall sind Sie nun motiviert, einige Themen bei sich selbst anzugehen. Sie wollen eigene „Baustellen“ in Ihrem Leben bearbeiten oder haben bemerkt, dass Potenziale in Ihnen schlummern, die geweckt werden wollen? Was ist nun der nächste Schritt, um die gewonnenen Erkenntnisse umzusetzen? Wie können Sie die Inhalte dieses Buches in die Praxis umsetzen?
Üblicherweise bieten Autoren erfolgreicher Bücher weitere Übungsbücher, Webinare, Videos oder andere mentale Programme für Leser an. Aus meiner Erfahrung dienen diese aber eher dem Geldbeutel des Autors als den Teilnehmern. Wie komme ich zu dieser radikalen Einschätzung?
Ich leite seit 30 Jahren Seminare für Persönlichkeitsentwicklung und habe viele tausend Menschen in Therapie oder Coaching begleitet. Deshalb sage ich Ihnen hier, was NICHT funktioniert. Wer glaubt, durch intellektuelles „Futter“, sei es durch Bücher, Vorträge oder Videos nachhaltige Veränderungen in seinem Verhalten oder gar in seiner Persönlichkeit zu bewirken, der irrt leider gewaltig. Leider gibt es auch viele Veranstaltungen, die als Seminare betitelt sind, wo man aber nur rumsitzt und stundenlang passiv zuhört bzw. konsumiert. Dann geht man mit plattem Hintern und Wasserkopf nach Hause und meint alles zu verstehen und ändern zu können. Doch die beste Theorie bringt keine Erfahrungen in der Praxis und keine echte Veränderung. Am meisten profitieren davon die Anbieter, nicht die Teilnehmer. Um das zu verstehen, muss man weder Psychologe noch Seminarleiter sein, sondern nur seinen gesunden Menschenverstand einsetzen.
Überlegen Sie doch einmal selbst, was Sie in Ihrer Kindheit und Jugend am nachhaltigsten geprägt hat. Bestimmt waren dies keine Bücher oder Vorträge. Es sind konkrete Erlebnisse, verbunden mit starken Emotionen, die dauerhaft sind. Außerdem prägen uns intensive persönliche Kontakte, Lehrer und Freunde. Auch hier sind es reale zwischenmenschliche Beziehungen und keine virtuellen Kontakte, die uns in der Tiefe beeinflussen. In Begegnungen mit Menschen kommt es nicht so sehr auf den gedanklichen Austausch an, sondern vielmehr auf die gemeinsam durchlebten, intensiven Erfahrungen und starke Gefühle. Die gemeinsame Zeit, die ich mit einem oder mehreren Menschen verbringe, prägt und verändert einen Menschen.
Einige praktische Beispiele machen dies ebenfalls deutlich. Wer surfen lernen will, dem nützt es höchstens zur eigenen Motivation, wenn er Bücher liest, Videos anschaut oder Vorträge von berühmten Surfern besucht. Egal wie intensiv und lange es dies tut: er wird niemals surfen lernen. Denn dafür muss man nass werden, viel Wasser schlucken und sich eventuellen Ängsten vor hohen Wellen stellen. Man muss viele, viele Male vom Brett fallen und an verschiedenen Stränden praktizieren, bis man ein guter Surfer wird. Aber für den Surflehrer ist es natürlich angenehmer, einen Vortrag im Trockenen vor vielen Menschen zu halten als mit jedem einzelnen Schüler viele Stunden in der Brandung zu trainieren.
Bei jeder anderen Sportart ist das genauso, bei jeder Fremdsprache, jedem Beruf und bei anderen Fähigkeiten, die man erlernen möchte. Würden Sie einem Arzt vertrauen, der seine Fähigkeiten für Operationen durch Youtube-Videos und mentales Training erworben hat? Natürlich nicht! Im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung gibt es jedoch keine aussagekräftigen Vorgaben durch Gesetze oder Verbände. Deshalb werden gerne mit wenig Aufwand für Referent und Teilnehmer Webinare und Vorträge angeboten, wo es unerheblich ist, ob 10 oder 1000 Menschen teilnehmen. Persönliche und nachhaltige Entwicklung ist aber nur möglich, wenn wirklich konkret mit den Individuen gearbeitet wird und sie Situationen und Gefühle durchleben und dabei begleitet werden. Das braucht natürlich viel mehr persönliches Engagement, macht viel Arbeit, ist riskanter und – für viele nicht unwesentlich – man verdient wesentlich weniger dabei.
Echte Entwicklung findet immer nur außerhalb der Komfortzone statt.
Übliche Seminare, Selbsterfahrung oder Coaching finden in der Wohlfühlzone statt. Es gibt viele Männer, die Angst haben, sich ihren Themen, ihren Gefühlen wie Scham oder Wut und echten Kontakten zwischen Männern zu stellen. Sie hoffen, nur durch ungefährliche Theorie ihre Themen zu lösen – sie wollen schwimmen lernen ohne nass zu werden und ihren Pilotenschein am Flugsimulator erwerben. Es gibt leider sehr viele Angebote, die genau damit werben. Aus meiner Sicht ist dies rausgeworfenes Geld und verlorene Zeit. Ich bin Pragmatiker und Praktiker. Meinen ersten Pilotenschein habe ich in Brasilien gemacht: nach einem kurzen Vorgespräch steigt man ein, der Fluglehrer startet und irgendwann übergibt er einem den Steuerknüppel: „Versuch mal, Kurs und Höhe zu halten.“ So macht man sofort reale Erfahrungen und bekommt ein realistisches Feedback, ob man wirklich die Nerven hat, den Pilotenschein zu machen. In der Luft bei Turbulenzen oder schlechter Sicht und bei Landungen mit böigem Seitenwind wird von Lehrer und Schüler maximale Konzentration und Einsatz abverlangt. Der Adrenalinpegel ist hoch und beide tragen ein Restrisiko. Und das sind meiner Erfahrung nach die effektiven Lernsituationen – beim Fliegen wie bei allem anderen im Leben. Natürlich ist das Briefing vor dem Flug und die Auswertung nach dem Flug wichtig, aber eben nicht das Entscheidende dabei. Also entscheiden Sie sich: wollen sie ein Flugsimulator-Crack oder wollen Sie Pilot werden? Ich bilde in meinen Trainings Piloten aus, die ihr Lebensziel verfolgen und lernen, bei jedem Wetter den Steuerknüppel fest in den Händen zu halten. In meinen Seminaren ist stets ein hoher Adrenalinpegel und alle Teilnehmer fahren Achterbahn. Wenn jemals ein Teilnehmer sagen sollte, er habe sich gelangweilt, dann werde ich in Rente gehen. Bislang ist das in den letzten 30 Jahren allerdings noch nicht vorgekommen.
Ich selbst habe als Psychotherapeut eine Vielzahl therapeutischer Ausbildungen durchlaufen, fand diese aber durchweg zu weichgespült und feminin geprägt. Meditationsschulungen, vor allem in Japan und Indien, waren dagegen meist viel klarer, provokanter und maskuliner. Das gleiche kann ich von diversen schamanischen Initiationen und Ausbildungen in Südamerika berichten. Im Laufe der Jahre als Seminarleiter habe ich eine eigene Methodik speziell für die Initiation von Männern entwickelt. Die Teilnehmer durchlaufen dazu einen intensiven tiefenpsychologischen Prozess in einer Gruppe, angeleitet und professionell unterstützt durch mich, meine Co-Trainer und ein Team. Das Ganze findet in einem speziellen Seminarhaus statt, wo wir jeweils mehrere Tage ganz ungestört sind. Durch verschiedenste Übungen und Initiationen gelangen die Männer auf ein immer höheres Energieniveau, werden stärker, mutiger und bewusster. Und gleichzeitig wächst eine authentische und herzliche Männergemeinschaft zusammen, die viele Männer auch nach dem Training noch viele Jahre in ihrem Leben begleitet. Über 1000 Männer haben bislang das Herzenskrieger-Training erfolgreich beendet und halten Kontakt in einem Männer-Netzwerk. Dort wird auf vielfältige Weise Männlichkeit gelebt und zelebriert: in gemeinsamen Treffen, Austausch und Aktivitäten werden die Inhalte dieses Buches und des Trainings gelebt. Für viele Männer sind dies ihre wahren Kraftorte und ihre Heimat als Mann.
Einfluss auf die Gesellschaft – Kampf für Männerrechte
Mein Fazit nach 30 Jahren intensiver psychologischer Arbeit mit Männern ist: viele Probleme, unter denen Männer heute leiden, sind gesellschaftlicher und nicht individueller Natur. Die meisten Männer suchen die Ursachen bei sich selbst und verkennen, dass es heute Jungen bereits seit der frühen Kindheit schwer gemacht wird, ein positives Bild von Männlichkeit zu entwickeln. Wer das begriffen hat, fängt an sich mit anderen Männern auszutauschen und gegenseitig zu stärken. Der nächste Schritt ist die Verbesserung der Lebensqualität für Jungen und Männer.
Wir haben heute immer weniger echte Männergemeinschaften. Traditionelle Männerzirkel wie Rotary Club oder Lions Club nehmen Frauen auf, in Fußballstadien und Boxclubs sind immer mehr Frauen dabei. In Männerforen im Internet dominieren oft gar die Frauen. Während Frauen sich viele exklusive Rückzugsorte bewahrt oder bewusst neu geschaffen haben, wird Männern vorgeworfen, Frauen zu diskriminieren, wenn sie unter sich sein wollen. Frauen haben nicht das geringste Problem damit jeden Mann aus einem Frauenhaus oder Frauensauna notfalls mit Gewalt rauszuwerfen, Männer dagegen haben schon ein schlechtes Gewissen, wenn sie auf einem Männerkongress keine Frauen zulassen. Man stelle sich das einmal umgekehrt vor – völlig undenkbar. Es fängt also im eigenen Kopf an: die Notwendigkeit und Wichtigkeit zu erkennen, einen Schutzraum nur unter Männern für sich zu haben. Und diesen Schutzraum auch mit entsprechendem Nachdruck zu verteidigen.
Viele Männergruppen haben keine Macht und meist keinen nennenswerten gesellschaftlichen Einfluss, da sie nur um sich selbst kreisen. Feministinnen dagegen haben dafür gesorgt, dass unsere Gesellschaft und die Beziehungen zwischen Mann und Frau ordentlich umgekrempelt wurden: Frauenrechte, Frauenhäuser, Frauenbeauftragte, Quotenregelungen, zahlreiche Gesetzesänderungen und sogar ein eigenes Ministerium haben die Frauen erreicht, um ihre Rechte zu vertreten und Interessen durchzusetzen. Und damit ist viel, sogar sehr viel Geld verbunden, das dafür ausgegeben wird. Geld übrigens, das zum größten Teil die Männer bezahlen.
Medien, soziale Netzwerke, öffentliche Diskussionen und Werbung werden immer mehr durch feministisches Gedankengut geprägt. Gender Mainstream, die MeToo-Bewegung und eine allgemeine Anti-Haltung gegenüber Männlichkeit ziehen sich durch die Mainstream-Massenmedien. Männliche Gegenpositionen sucht man meist vergebens. Es ist tragisch: Männer überlassen das Feld der Beziehungen, Erziehung, Familienrecht und der Geschlechterdiskussion den Frauen und leiden zusehends unter den Folgen. Offensichtlich haben viele Männer noch nicht verstanden, dass Feministinnen nicht für Männerrechte kämpfen.
Fast alle Parteien werben mit der Stärkung von Frauenrechten – um eine Partei zu finden, die sich für Männerrechte einsetzt, muss man lange suchen. Männergruppen und engagierte Männer könnten an dieser Situation etwas ändern. Sie könnten Einfluss auf Gesetze und Rechtsprechung im Familien- und Scheidungsrecht nehmen und die Männerinteressen und Männerbeauftragte als Gegenpol zu den Frauenbeauftragten fordern. Männer sollten sich für eine Quotenregelung an Grundschulen und Kindergärten einsetzen. Und Männer sollten mehr gesellschaftlichen Einfluss in den Medien und der öffentlichen Diskussion nehmen und die Männerthemen und Fragen einbringen.
Politisch und wirtschaftlich einflussreiche Männergruppen könnten aber auch die Art des Unterrichts an Schulen beeinflussen und eine gezielte Förderung von Jungen bewirken. Es fehlt an Orten und Anleitung, wie Jungen und Männer Aggressionen in positiver Form entwickeln und ausleben können. Genauso fehlt es an Orten, wo Männer in Krisen gezielt Unterstützung finden. Etwa 400 geförderten Frauenhäusern stehen derzeit zwei aus eigenen Mitteln finanzierte Männerhäuser gegenüber – da lässt sich noch etwas verbessern! Männerbüros, Männerforschung und psychologische Weiterbildung brauchen genauso Unterstützung wie die entsprechenden Frauen-Organisationen. Es ist nicht einzusehen, warum es keine Männerbeauftragten gibt und warum Jungen in Kita, Schule und Ausbildung diskriminiert werden.
Ich hoffe, mit diesem Buch zur Stärkung einer neuen Männerbewegung beizutragen, in der Männer wieder stolz darauf sind, ein Mann zu sein, und das auch zeigen. Wir brauchen eine Männerkultur, in der Männer aus ihrem inneren Versteck kommen und sich in ihrer wahren Größe und Stärke zeigen, um als Herzenskrieger ihre Wildheit und Ungezähmtheit zu leben und miteinander zu feiern.
Herzenskrieger in Ihrer Nähe persönlich kennen lernen!